Werden Sie je wissenschaftliche Publikationen lesen? Genügt es nicht, Lehrbücher zu studieren? Was ist 'wissenschaftlich', braucht man das in der (praktischen) Medizin?
Woher kommt das Wissen, auf dem wir die Logik medizinischer - diagnostischer, therapeutischer, kurativer, prophylaktischer - Maßnahmen aufbauen? Wie gelangt die Heilkunde zu besseren, humaneren, verläßlicheren, schmerzfreieren Methoden und Handlungen? Woher kommt der Fortschritt in der Medizin? -- Aus planvollen Untersuchungen unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden (>>Studiendesign, Biometrie, Modelle). Dabei gilt das Prinzip der Offenheit (Nachvollziehbarkeit) und Disziplin (Beachtung aller nötiger Regeln).
Die Ergebnisse solcher Studien werden in wissenschaftlichen Zeitschriften (scientific Journals) veröffentlicht (publiziert). Wenn Sie mit dem Fortschritt in der Medizin schritthalten wollen, müssen Sie Fachpublikationen lesen. Diese haben unterschiedliche Qualität (s. unten).
Im allgemeinen haben Originalpublikationen (=Veröffentlichungen eigener / neuer Forschungsergebnisse im Volltext) folgenden Aufbau:
Zur Beurteilung einer wissensachaftlichen Zeitschrift wurde vom Institute for Scientific Information (ISI) in Philadelphia der 'Impact-Faktor' (IF) eingeführt und wird für die Bewertung der 'Reichweite' einer Zeitrschrift berücksichtigt. Der IF einer Zeitschrift 'Z' für das Jahr 'Y' gibt an, wie oft weltweit durchschnittlich im Jahr Y Publikationen genannt wurden, die in den beiden vorausgegangenen Jahren in Z erschienen sind. (Werden Arbeiten nach einem längeren Zeitraum zitiert, bleibt dies bei der Berechnung des IF definitionsgemäß unberücksichtigt.)
Nehmen wir an, Z hat in den Jahren 1998 und 1999 120 Originalpublikationen abgedruckt. Es wird ermittelt, wie viele Nennungen dieser 120 Arbeiten weltweit im Jahr 2000 erfolgen. Nehmen wir weiters an, man findet insgesamt 240 solche Zitate; der Impactfaktor (IF) der Zeitschrift Z für das Jahr 2000 beträgt dann 2,0 (240/120). Jedes Jahr wird für jede Zeitschrift ein neuer IF berechnet.
Für die einzelne Publikation kann nur insoferne etwas ausgesagt werden, als der IF angibt, wie oft Arbeiten aus der betreffenden Zeitschrift generell zitiert werden, wie 'beliebt' für diesen Zweck die Zeitschrift also ist (oder die darin publizierenden Autoren sind). Naturgemäß ergeben sich in Zeitschriften, deren Arbeiten - aus welchen Gründen auch immer - besonders oft zitiert werden, hohe Impactfaktoren. Ein wichtiger Grund für hohe Impactfaktoren ist, daß für die Annahme einer Publikation besonders strenge Maßstäbe angelegt werden.
Experten lesen und kritisieren die eingesandten Publikationstexte und entscheiden, ob die Arbeit angenommen ('accepted for publication') oder abgelehnt ('rejected') wird, und welche Klärungen, Änderungen oder Ergänzungen vorgenommen werden müssen, bevor der Text endgültig akzeptiert und zum Druck freigegeben wird. Dieses Review-Verfahre ist ein Qualitätsfilter, der dem Leser garantiert, daß die Publikation bereits eine mehrfache strenge Fachprüfung 'überstanden' hat, bevor sie publik gemacht wird.
Der IF hängt also direkt mit dem Qualitätsanspruch des wissenschaftlichen Beirates zusammen. Ein hoher IF steigert das Renommee der Zeitschrift, und so entsteht ein Wettlauf der Autoren, in dieser Zeitschrift zu publizieren. Der IF ist nur ein Maßtab unter mehreren (manchmal wird er über seine eigentliche Aussagekraft hinaus bewertet). Wichtig ist und bleibt, die einzelne Publikation selbst kritisch zu bewerten und eine individuelle Entscheidung zu treffen, was sie zur persönlichen Fragestellung beitragen kann.
Wir sind primär unseren Patienten verpflichtet. Das bedeutet auch, neue Erkenntnisse aus physiologischer und medizinischer Forschung zu ihrem Wohl umzusetzen. Diese Information bezieht man (aus den hier dargestellten Gründen) am besten aus verläßlichen wissenschaftlichen Medien (d.h. qualifizierten Fachzeitschriften). Quellen, die keinen IF aufweisen (z.B. auch frei ins Internet gestellte Texte), haben möglicherweise kein Review-Verfahren durchgemacht, und ihre Beurteilung ist dem Leser überlassen.