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Studiendesign

Physiologische und medizinische Forschung beruht auf beobachtenden oder experimentellen Studien, die planvoll und mit wissenschaftlichen Methoden durchgeführt werden. So gelangt man zu verbesserten, erweiterten oder ganz neuen Modellvorstellungen über reale Sachverhalte. Eine detaillierte Festlegung des Studiendesigns geht einer erfolgreichen Untersuchung voraus.

Wie baut man eine Untersuchung auf? Folgende Schritte sind zu unternehmen (s. flowchart):

   Fragestellung erarbeiten

   Literaturstudium

   Hypothese(n) formulieren

   Planen

   Untersuchungen durchführen

   Ergebnisse interpretatieren
  
Schlußfolgerungen ziehen

  
Publizieren

Stochastische (zufallsbedingte) Einflüsse auf die Verteilungen der beobachteten Zustandsgrößen erfordern den Einsatz statistischer Methoden. Bei Untersuchungen komplexer Systeme, bei denen Unsicherheiten der Messungen zu Streuungen der beobachteten Meßwerte führen (also praktisch in der gesamten Physiologie und Medizin), stellt sich stets die Frage der

Studienplanung und -durchführung:

Klare Fragestellung erarbeiten, Begriffe definieren: Unumgänglich für Planung, Durchführung und Interpretation. Schlampige (unklare) Fragestellung rächt sich, die Statistik kann Fehler bei Fragestellung, Studiendesign oder Methodenwahl nicht im nachhinein gutmachen.

Literaturstudium - was ist der Stand des Wissens? (>Qualität wissenschaftlicher Publikationen)

Hypothese(n) formulieren - Hypothesen sind (begründete) Vermutungen über Sachverhalt. Sie werden auf dem Boden vorhandenen 'Wissens' (bekannter Daten, gültiger Paradigmen) aufgestellt. Es muß klar sein, was man unter welchen Umständen und warum erwartet, und wie diese Erwartungen allenfalls widerlegt werden können (Falsifizierbarkeitskriterium für naturwissenschaftliches Vorgehen: Jede Behauptung muß im Prinzip durch Beobachtung / Experimente widerlegbar sein).

Planung der Beobachtungen / Experimente - Ziel der Beobachtungen ('Fragen an die Natur') ist die Beantwortung der gestellten Frage(n) durch Verwerfen oder Akzeptieren der aufgestellten Hypothese(n) mittels statistischer Verfahren. So kann eine Untersuchung rein beobachtend sein, z.B. retrospektiv den Einfluß einer bestimmten Maßnahme alleine nachzuvollziehen versuchen (deskriptive Studie) oder im Vergleich zum Verlauf in einer Kontrollgruppe (retrospektive Studie, 'case-control-study': 'was war?'); sie kann fragen, was gegenwärtig vorgeht (Querschnittstudie, cross-sectional study), oder was - im Vergleich zu einer Kontrollgruppe - unter Einwirkung einer Maßnahme geschehen wird (prospektive Studie, longitudinale oder cohort study). Oder die Studie ist experimentell, möglichst kontrolliert (Vergleich mit unbehandeltem Kollektiv). Dies ist der häufigste Untersuchungstyp in der physiologischen Forschung. Bei der Auswahl der Studienteilnehmer (Probanden) muß sichergestellt werden, daß keine systematischen Verzerrungen (bias) unterlaufen (Biometrie).

Durchführung der Untersuchungen - dabei muß klar sein, welche Methoden wann, wie, warum und von wem verwendet werden, um Fehlerquellen auszuweichen; unter welchen Umständen Beobachtungen / Probanden zugelassen (Einschlußkriterien) oder ausgeklammert werden (Ausschlußkriterien); wie im Falle von Störungen zu verfahren ist (z.B. werden die Daten verwendet, wenn der Patient kollabiert ist?), usw.

Interpretation der Ergebnisse - durch biometrische Verfahren. Die Statistik kommt nicht erst jetzt zum Einsatz, entsprechende Überlegungen werden von Anfang an berücksichtigt. Kontrollierte Studien sollen die Frage beantworten, ob signifikante Effekte bestehen (=Unterschiede im entsprechenden Merkmal ausreichend wahrscheinlich).

Schlußfolgerungen ziehen - was bedeuten die Ergebnisse für die praktische Anwendung? Sind sie relevant / repräsentativ für eine andere Teil- bzw. für die Gesamtpopulation? Wenn ja, unter welchen (z.B. zeitlichen) Bedingungen? Sind die Ergebnisse (aufgrund von Art und Größe des beobachteten Effekts) klinisch relevant, oder nur statistisch signifikant?

Publizieren > Qualität wissenschaftlicher Publikationen. Die Publikation wird von anderen Forschern zur Formulierung ihrer Studien mit herangezogen.

Die Beachtung dieser Kriterien ist notwendig, um falsche Vermutungen zu widerlegen und irrige Schlußfolgerungen zu vermeiden. Gute Studien (wissenschaftliche Publikationen) erkennt man daran, daß diese Kriterien sorgsam beachtet wurden.

© Helmut Hinghofer-Szalkay