Vortrag

am Dienstag, 2. Februar 2005,
16:00 Uhr
Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation,
Raum KW 31
Auenbruggerplatz 2 / III.Stock
8036 Graz




Wie adjustiert man die Baseline in klinischen Studien mit longitudinalen Daten?

von Prof. Dr. K.-D. Wernecke
Institut für Medizinische Biometrie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte


Abstract


Es werden die Ergebnisse einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten klinischen Studie bei Analyse mit verschiedenen (multivariaten) Modellansätzen diskutiert. Die Studie diente dem Nachweis der unterschiedlichen Senkung des Gesamtcholesterins in Bezug auf die drei parallelen Arme
  • Placebo
  • Verum 1 (Abakor ® - cholesterinsenkendes Phytopharmakon mit 15 g/d Dosierung)
  • Verum 2 (Abakor ® - cholesterinsenkendes Phytopharmakon mit 25 g/d Dosierung)
und lieferte Cholesterinwerte zu vier zeitlich nacheinander durchgeführten Visiten.
Die zunächst univariat als Differenz von Endwert gegen Anfangswert durchgeführte Analyse ergab eine unterschiedliche Senkung des Gesamtcholesterins zwischen der 25 g/d Dosierung und Placebo (p < 0.001 parametrisch, p = 0.001 nichtparametrisch).
Bei der anschließenden Prüfung mit der multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) für wiederholte Beobachtungen in Bezug auf alle vier Visiten stellte sich dagegen ein signifikanter Gruppenunterschied zwischen Placebo und der 15 g/d Dosierung heraus (p = 0.010 parametrisch, p = 0.004 nichtparametrisch), aber keine wesentlichen Unterschiede zwischen Placebo und der 25 g/d Dosierung. Die meist routinemäßig vorgenommene additive (Beobachtungswert - Baseline) oder multiplikative (Beobachtungswert/Baseline) Normierung führte zwar bei Analyse mit der MANOVA für wiederholte Messungen und Verwendung aller vier Visiten zu dem gewünschten Ergebnis der unterschiedlichen Senkung sowohl der 15 g/d als auch der 25 g/d Dosierung gegenüber Placebo, versagte jedoch, wenn man nur Anfangswert gegen Endwert verglich.
Dagegen lieferte eine adäquat vorgenommene multivariate Kovarianzanalyse (MANCOVA) für wiederholte Beobachtungen mit der Baseline als Kovariate sowohl bei Verwendung aller vier Visiten als auch (nichtparametrisch) bei Analyse nur der beiden Cholesterinwerte zu Beginn und am Ende der Studie signifikante Unterschiede sowohl der 15 g/d als auch der 25 g/d Dosierung gegenüber Placebo.


Schlussfolgerungen:
  1. Bei Studien mit longitudinalen Daten muss man immer eine Analyse des gesamten Verlaufs vornehmen (explorative Datenanalyse).
     
  2. Eine Adjustierung auf die Baseline sollte stets mit einer (parametrischen oder nichtparame-trischen) Kovarianzanalyse mit der Baseline als Kovariate durchgeführt werden.
     
  3. Ein so genannter „Homogenitätstest“ zur Prüfung der Baseline zu Beginn der Studie ist nur im Sinne des Datenmonitoring und als Qualitätskontrolle zu interpretieren.

Literatur:

  • Bathke, A. and Brunner, E. (2003). A Nonparametric Alternative to Analysis of Covariance. In “Recent Advances and Trends in Nonparametric Statistics” (Eds. M.G. Akritas and D.N. Politis), 109-120.
     
  • Langer, F. (1998): Berücksichtigung von Kovariablen in einem nichtparametrischen gemischten Modell. Dissertation am Institut für Mathematische Stochastik der Universität Göttingen
     
  • Rencher, A.C. (1998): Multivariate Statistical Inference and Applications. J. Wiley & Sons, New York
     
  • Siemer, A. (1999): Die Berücksichtigung von heterogen verteilen Kovariablen in einem nichtparametrischen Modell. Diplomarbeit am Institut für Mathematische Stochastik der Universität Göttingen




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